Fastenpredigten 1958

Passions- und Kreuzesheilige

ãMit Maria unter dem Kreuze!Ò

2. Der hl. Gabriel von der schmerzhaften Gottesmutter

 

Von einem prŠchtigen, jungen Burschen, fŸr den sogar ihr katholischen Frauen noch geschwŠrmt hŠttet, will ich euch heute erzŠhlen: Stellt euch einen jungen Studenten in der 8. Klasse Gymnasium vor: Ein gro§er, sauberer , gerade gewachsener Kerl, dazu begabt, der Liebling der ganzen Klasse, immer fršhlich und gut aufgelegt, immer in einem Anzug, der nach der neuesten Mode geschnitten war, immer der beste in der Klasse, immer der beste beim Theaterspielen, immer zu einem munteren streich bereit, nie verlegen, sondern schlagfertig, immer hatte er die Lacher auf seiner Seite. Und tanzen konnte er, dass es eine helle Freude war. Die MŠdchen schauten sich nach ihm fast die Augen heraus und rissen sich um einen solchen Partner bei Tanzunterhaltungen. Ballettmeister, so nannten alle den 18jŠhrigen Franz Possenti in der umbrischen Studierstadt Spoleto.

Und eines Tages, in der 8. Klasse des Gymnasiums: Franz Possenti fehlte. Er hatte sich tags zuvor bei seinen MitschŸlern verabschiedet. Er mŸsse verreisen. Wohin und wozu, das hatten sie nicht erfahren. Und nun platzte wie eine Bombe die Nachricht in die Klasse herein: Habt ihr es schon gehšrt, wohin ãunser BallettmeisterÒ verreist ist? Er ist ins Kloster gegangen.

Ja, was ist denn dem Franz Possenti eingefallen? Noch dazu war er in einen der strengsten Orden eingetreten, in den Orden der Passionisten, der Kleriker von der Passion Christi, vom  Leiden Christi. Der wird es wohl nicht lange im Kloster aushalten? Der raue Habit, die enge, kahle Zelle, die strenge Ordnung, die harten Bu§Ÿbungen, das alles wird er wohl schnell satt sein und wird ihn zur Vernunft bringen. So eine verrŸckte Idee! So meinten viele in den Gesellschaftsreisen, in denen sich Franz Possenti bisher bewegt hatte.

Aber sie tŠuschten sich. Er fŸhrte dort im Kloster ein so heiliges Leben, dass sich sogar alte, ergraute Ordensleute an dem jungen Novizen und Kleriker zutiefst erbauten. Und als Franz Possenti mit 24 Jahren starb, war man allgemein Ÿberzeugt: Er war ein Heiliger!

Schauen wir uns das Leben dieses Heiligen jetzt nŠher an. Er ist nŠmlich auch ein Passions- und Kreuzesheiliger, das mŠnnliche GegenstŸck zur hl. Gemma Galgani, von der ich in der 1. Fastenpredigt sprach.

Die Kirche feiert das Fest dieses Heiligen am morgigen Tag. Wenn ihr im Schott-Messbuch den 27. Februar aufschlagt, steht da: Fest des hl. Gabriel von der schmerzhaften Gottesmutter!

Das ist der flotte Student und TŠnzer, von dem ich am Anfang der Predigt sprach: schauen wir uns sein Leben und seine Tugenden nŠher an: Der hl. Gabriel von der schmerzhaften Gottesmutter wurde am 1. MŠrz 1838 als Sohn eines Bezirksrichters in Assisi, der Heimatstadt des hl. Franziskus geboren. Der Herr Bezirksrichter Possenti und seine Frau hatten schon 10 Kinder. Und als das 11. daherkam, war man diesem Kind – es war ein Bub, eben unser Heiliger – keineswegs bšse. Man nahm auch dieses 11. Kind und auch noch ein 12. und 13. in Liebe als Geschenk Gottes an. Und dieses 11. Kind war tatsŠchlich in besonderer Weise ein Geschenk Gottes: Ein ungemein schšnes, sonniges, begabtes Kind, an dem die Eltern und die Šlteren Geschwister ihre helle Freude hatten. In der Taufe erhielt der Bub den Namen des grš§ten BŸrgers der Stadt Assisi, des hl. Franziskus, des seraphischen Heiligen, den Gott in besonderer Gnadenwahl sogar mit seinen Wundmalen ausgezeichnet hat. Im gleichen Taufbecken im Dom zu Assisi, in welchem der hl. Franziskus getauft worden war, wurde am 2. MŠrz 1838 auch der kleine Franz Possenti getauft und der Taufpriester machte dem Neugeborenen – wie es bei jeder Taufe geschieht – das Kreuzzeichen auf Stirne und Brust und sagte dabei: ãEmpfange das Zeichen des Kreuzes auf der Stirne und auf dem Herzen. Nimm an den Glauben an die Gebote des Himmels. Dein Wandel aber sei so, dass du von nun an ein Tempel Gottes sein kannst!Ò

Eine schšne Kindheit war dem kleinen Franz, dem Bezirksrichtersšhnchen beschieden. Da brach das Leid in die Familie Possenti herein: Die Mutter starb nach der Geburt des 13. Kindes, als Franzi erst 4 Jahre alt war.

Der Vater, der nun fŸr die gro§e Kinderschar allein sorgen musste, wurde einsam und schweigsam. Und auch die Kinder wuchsen sehr still und zurŸckgezogen auf. Nur eines der Kinder bildete eine Ausnahme: Franz! Mit quecksilbriger Munterkeit und Fršhlichkeit heiterte er den traurigen Vater immer wieder auf, der ihn darum auch ganz in sein Herz geschlossen hatte. – Begreiflich, dass der Vater, der in seinen Sohn Franz richtig verliebt war, zu Tode betroffen war, als ihm dieser seine Berufswahl in der 8. Kl. Gymnasium mitteilte: Vater, ich gehe ins Kloster! Freilich kam damals dieser sein Entschluss gar nicht so plštzlich, denn schon zweimal hatte er diesen Entschluss gefasst, war dann aber wieder davon abgestanden. Zweimal, in schwerer Krankheit, hatte Franz Possenti versprochen, ins Kloster zu gehen. Kaum genesen, war er seinem Versprechen wieder untreu geworden. Dann hatte ihn ein Jagdunfall an den Tod erinnert. Und als seine liebste Schwester als erstes Opfer der Cholera, die 1855 in Assisis wŸtete, starb, da war er vor Gram und Leid ganz au§er sich. Dennoch brachte er es auch damals nicht fertig, mit dem neuen, gottgeweihten Leben, nach welchem er sich in stillen Stunden von Herzen sehnte, anzufangen.

Da kam der Oktavtag von Mariae-Himmelfahrt 1856: Mit einem uralten byzantinischen Marienbild, das sonst im Dom zu Spoleto hoch verehrt wird, hielt man zum Abschluss der Festoktav eine Prozession. Der junge Student Franz Possenti stand am Stra§enrand und schaute zu. Und wie an ihm das Gnadenbild Mariens vorŸbergetragen wurde, da war es ihm, als hšrte er aus dem Gnadenbild die Muttergottes sprechen, ihn ansprechen und sagen: Franz, wann macht du denn endlich ernst mit deinem Versprechen? Was man verspricht, muss man doch halten!?

Jetzt machte er aber wirklich ernst: Er beriet sich mit seinem Seelsorger. Der prŸfte ihn lange und eindringlich, ob denn der Beruf auch wirklich echt sei. Franz Possentis Seelsorger hatte doch sehen mŸssen, wie in den letzten Jahren sein Herz ganz auf Theater, Tanzunterhaltung, vornehme Kleidung und nette Gesellschaft stand. Wie wŸrde Franz auf all das auf einmal verzichten kšnnen? Zudem hatte der Seelsorger an Franz feststellen mŸssen, dass er oft recht zornig geworden war, wenn einmal sein Ehrgeiz und seine Eitelkeit verletzt wurden. Wie sollte ein solcher Bursche Beruf fŸrs Kloster haben? Andererseits wusste der Seelsorger von Franz Possenti aber auch, dass er seine religišsen Pflichten immer genau erfŸllt hatte und dass er vor allem eine ganz gro§e Marienliebe im Herzen trug. So wŠre es schlie§lich mšglich, dass die Gottesmutter ihm die Gnade des Berufes vermittelt hŠtte. Aber er hielt dem Franz nochmals ganz eindringlich die schweren Opfer, die das Ordensleben von ihm verlangen wŸrde, vor. – Der Vater aber versuchte ein Šu§erstes, letztes Mittel, um seinen Lieblingssohn von seinen Klostergedanken abzubringen. Er brachte ihn mit einem hŸbschen MŠdchen aus einer sehr angesehenen Familie zusammen und hoffte, dass Franz schnell fŸr dieses MŠdchen Feuer fangen wŸrde. Und es schien fast so, als hŠtte der Vater Recht. Aber die Berufsgnade war stŠrker.

Am 7. September 1856, mit 18,5 Jahren verlie§ Franz Possenti das Vaterhaus, machte noch eine Wallfahrt zum gro§en Marienwallfahrtsort Loreto und trat dann bei den Passionisten im abgeschiedenen Noviziats-Kloster zu Morrovalle ein.

Die Ordenskongregation der Passionisten wurde 1720 vom hl. Paul vom Kreuz gegrŸndet. Sie legen au§er den drei gewšhnlichen GelŸbden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams noch ein viertes GelŸbde ab: die Andacht zum Leiden Christi besonders zu fšrdern in Exerzitien und Volksmissionen und selbst das Leiden Christi recht innig zu verehren und in Verbundenheit mit dem leidenden Heiland Bu§e zu tun. Der Passionistenorden ist ein sehr strenger Orden, sie haben eine sehr straffe Tagesordnung, sehr strenge Armut, Chorgebet mit einstŸndigem Nachtchor, tŠglich zwei Stunden Betrachtung, das halbe Jahr všllig fleischlose Kost: Die Tracht besteht aus einem rauen, schwarzwollenen Habit mit LedergŸrtel und Rosenkranz. Auf dem Habit tragen sie das Passionistenabzeichen, ein aus Blech gestanztes schwarzes, von einem Kreuz Ÿberhšhtes Herz, auf dem geschrieben steht: ãJesu Christi passioÒ.

Wie wird der flotte Student sich in dieses strenge Ordensleben, das durch eine sehr strenge Ordensregel geregelt war, dreinfinden?

Wahrscheinlich wird er bald Rei§aus nehmen und ins Vaterhaus zurŸckkehren. So dachte jedenfalls der Vater daheim. Aber er tŠuschte sich.

So vollstŠndig war die Umwandlung des jungen eitlen Maturanten in einen ganz gewissenhaften, regeltreuen Ordensmann, dass die Vorgesetzten ihn schon bald – nach wenigen Wochen –zur Einkleidung zulie§en. Freudig empfing er das Ordenskleid und dazu den Ordensnamen: Gabriel von der schmerzhaften Gottesmutter.  Und dieser Name war ihm fortan Programm: Wie die demŸtige Magd des Herrn wollte er Gott dienen in restlosem Gehorsam gegen Gottes heiligen  Willen, wie er sich in der Ordensregel und in den Anordnungen der vorgesetzten kundgibt. Und mit der Schmerzensmutter wollte er sich fortan immer wieder in dankbarer Liebe und in sŸhnendem Bu§geist in das Leiden und Sterben des  Heilands versenken. So genau nahm er in seinem Ordensleben alles und so treu und gewissenhaft befolgte er alles in den 6 Jahren, die ihm noch vergšnnt waren, dass sich ergraute Ordensleute an dem Eifer und Ernst und an der sittlichen Energie erbauten, mit der der junge Ordensmann Gabriel von der Schmerzensmutter sein Ich nach dem Ideal der Ordensregel zu formen suchte.

Schon wŠhrend des Noviziates zeichnete er sich von Tag zu Tag immer mehr durch ganz treue Beobachtung der Ordensregel und durch †bung aller Tugenden aus...

StŠndig verehrte er das Leiden Christi und verwendete Tag und Nacht darauf, es zu betrachten.

Das Messopfer, die hl. Kommunion und Ÿberhaupt das Altarssakrament als schšnste DenkmŠler des Leidens Christi schŠtze er ganz besonders hoch. Wenn er die hl. Kommunion empfing, glŸhte er vor Liebe wie ein Seraph. Doch nichts ging Ÿber die Liebe die er zur erhabenen Gottesmutter trug. Er suchte sie auf jede nur mšgliche Art zu ehren.

Vor allem versenkte er sich so tief in Mariens Leiden und Schmerzen beim Tode Jesu am Kreuze, dass er – der sonst so frische, frohe, immer zu Scherz und Humor aufgelegte junge Mann – dabei Stršme von TrŠnen vergoss.

Die Schmerzensmutter war sozusagen der ganze Inhalt seines Lebens geworden. Sie war ihm die Lehrmeisterin der Heiligkeit.

Seine OrdensmitbrŸder waren allgemein der Meinung, der junge Kleriker Gabriel von der Schmerzensmutter sei von Gott dazu berufen worden, die Verehrung der Schmerzensmutter immer mehr zu verbreiten.

Unter allen Tugenden schŠtzte er besonders die Demut und den Gehorsam. Dadurch glaubte er mit Recht der Schmerzensmutter und dem gekreuzigten Heiland am Šhnlichsten werden zu kšnnen. Aus Liebe zur Schmerzensmutter und zum Heiland am Kreuze wollte er im Geiste der Bu§e und SŸhne der Letzte in der Gemeinschaft sein. In seiner Demut verrichtete er mit Vorliebe die niedrigsten Arbeiten im Hause.

In frŸheren Zeiten haben sich Heilige durch oft erschŸtternde Bu§strenge ganz au§erordentliche Opfer der Abtštung auferlegt und haben sich gegei§elt und durch Fasten und Nachtwachen ihren Leib in Zucht gebracht. Gabriel von der Schmerzensmutter tat nichts Au§erordentliches. Sein Grundsatz war: das Gewšhnliche, die Pflicht, die Arbeit, das Gebet, den Gehorsam au§ergewšhnlich gut zu verrichten.

†ber alles ging ihm der Gehorsam gegen die Anordnungen der Vorgesetzen und gegen die Bestimmungen der Ordensregel: mit einer heldenhaften Aufopferung seiner ungestŸmen und empfindlichen Art beobachtete er den Geist und die Vorschriften der Ordensregel bis ins Kleinste. Das ist ja fŸr Ordensleute der Weg, um heilig zu werden. Nicht das Au§erordentliche macht heilig, nicht einmal die Wundmale, die einer oder eine am eigenen Leib wunderbar eingeprŠgt tragen wŸrde, auch nicht Erscheinungen, sondern das redliche BemŸhen, im Gnadenstand alles aus Liebe zu Gott ganz treu und gewissenhaft zu tun, um so den heiligsten Willen Gottes zu erfŸllen. Das ist das hšchste, was man von Ordensleuten sagen kann, wenn sie ganz treu im Geist der Gottesliebe und der Bu§e ihre Ordensregel beobachten und gehorchen. Der gro§e Papst Benedikt XIV. hat den Ausspruch getan: ãZeigt mir einen Ordensmann, eine Ordensfrau, die vollkommen ihre Ordensregel beobachten, und ich werde sie noch zu Lebzeiten heiligsprechen!Ò Gabriel von der Schmerzensmutter war jedenfalls ein solcher Ordensmann.

Als er am 22. September 1857 zur ewigen Profess zugelassen wurde und die ewigen GelŸbde ablegte, wussten seine Vorgesetzten: Er wird die in den hl. GelŸbden Ÿbernommenen Verpflichtungen bis ins Letzte genau erfŸllen und dadurch ein Heiliger werden!

Er nahm es ganz genau mit der Armut, mit dem Gehorsam, mit der Keuschheit. Das Brevier sagt diesbezŸglich von ihm: ãDurch ZŸgelung der Sinne und gro§e Lebensstrenge konnte er die Lilie der JungfrŠulichkeit unbefleckt bewahren! GŠnzlich der Welt gekreuzigt, lebte er einzig  und allein fŸr Gott und stand in ganz innigem Verkehr mit seinem Herrn.Ò

Er nahm es ganz genau auch mit dem vierten GelŸbde: Die Verehrung des Leidens Christi und seiner Mutter!

Nach der Profess kam er in das Passionisten-Studienhaus nach Pievetorina zum Philosophiestudium und dann nach Isola am Fu§e des Gran Sasso zum Theologiestudium. Dort empfing er die niederen Weihen. Es ging immer nŠher dem ersehnten Ziel, als Priester das Kreuzesopfer Christi in der hl. Messe erneuern und in Predigten, Missionen und Exerzitien die Verehrung des Leidens Christi und seiner jungfrŠulichen Mutter verbreiten zu dŸrfen. Gott aber hatte es anders bestimmt.

Bevor er an den Weihealtar treten konnte, warf ihn die Schwindsucht aufs Krankenlager. Im Alter von 24 Jahren vollendete er am 27. Februar 1862 sein heiligmŠ§iges Leben.

Am 31. Mai 1908, vor 50 Jahren, hat ihn der hl. Papst Pius X. seliggesprochen.

Am 13. Mai 1920 hat ihn der Friedenspapst Benedikt XV. heiliggesprochen. Und Papst Pius XI. hat das Fest dieses Jugendheiligen auf die ganze Kirche ausgedehnt in der Absicht, dass gerade junge Menschen sich fŸr diesen jugendlichen Heiligen begeistern und von ihm lernen sollten. Wenn wir noch fragen, was wir von diesem Passions- und Kreuzesheiligen lernen kšnnen, so ist zu antworten:

Der hl. Gabriel von der Schmerzensmutter ging den Weg zu Jesus an der Seite der Schmerzensmutter, er zeichnete sich durch treueste, gewissenhafteste ErfŸllung seiner Standespflichten aus und dadurch, dass er das Gewšhnliche au§ergewšhnlich gut verrichtete. Kšnntet ihr das nicht nachahmen?